Pure Lebens- und Faschingsfreude

Wenn am Samstag, 4. Februar um 13 Uhr Schlagg, Wäscherle und Mini-Wäscherle zur Prunksitzung für Menschen mit Behinderung begrüßen, herrscht Ramba-Zamba im „Dreißental-Tollhaus“. Vor der 31. Auflage sprach die Schwäpo mit Andreas Neuhäuser, seit Geburt körperbehindert und im vergangenen Jahr von der Narrenzunft mit der Verdienstmedaille ausgezeichnet.

Prunksitzung für Menschen mit Behinderung, das ist mehr als jede normale Prunksitzung, das ist Lebensfreude pur. Zusammensein und für drei Stunden alles vergessen. Die Sorgen und Nöte im Alltag, den oft beschwerlichen Alltag, die ein Mensch ohne Behinderung nicht kennt oder Gesundheit einfach als selbstverständlichen Besitz sieht. „Diese Prunksitzung ist für uns Herzblut, seit nunmehr dreißig Jahren und alle Aktiven freuen sich auf diesen Tag“, sagt NZO-Präsident Andreas Kieninger. Andreas Neuhäuser, seit Geburt körperbehindert, gibt noch eine ehrliche Schippe drauf: „Ich kann sagen, dass alle, die dabei sind, diesem Tag entgegenfiebern, es ist wohl für die Meisten das Highlight des Jahres.“ Andreas Neuhäuser ist inzwischen in der „NZO-Garde“ mittendrin. Er ist Webmaster und den Schlaggawäschern eng verbunden. Auch der ehemalige Präsident und Vorgänger von Andreas Kieninger, Klaus Ziemons, sieht es so:

Die Rollstuhltänzer vom Körperbehindertenverein Ostwürttemberg mit Landrat Klaus Pavel

 

„Der Andy ist ein gutes Stück unserer Zunft.“ Nicht von ungefähr erhielt Andy Neuhäuser bei der letztjährigen Jubiläumsveranstaltung die Verdienstmedaille der Zunft und er rückte damit in die Reihe der großen Oberkochener Faschingsmacher auf. Einer davon war der allzu früh verstorbene Zunftmeister Dieter Gold, der die Idee zur Behindertenprunksitzung gekürt hatte. 1986 war die erste in der Dreißentalhalle. Den eigentlichen Beginn hatte es schon zwei Jahre zuvor gegeben, als die Narrenzunft in verschiedenen Behinderteneinrichtungen in Aalen und Umgebung mit ihren Aktiven aufgetreten war. Seit es den kollektiven Veranstaltungsort in der Dreißentalhalle gibt, sind die Schlaggen eng vernetzt mit dem Aalener Landratsamt. Der damalige Landrat Dr. Diethelm Winter wurde Schirmherr, mit großer Begeisterung ist es heute Landrat Klaus Pavel, der auch schon zweimal mit der Rollstuhltanzgruppe auf der Bühne für Feuer sorgte. Dass sich Behinderten-Koordinatorin Petra Pachner um diese Veranstaltung „mehr als verdient gemacht hat“, lässt der heutige NZO-Ehrenpräsident Klaus Ziemons nicht außen vor. Schon von Anbeginn stellte die Stadt der Narrenzunft die Dreißentalhalle kostenlos zur Verfügung und es gehörte zur liebgewonnenen Gepflogenheit, dass die Gäste vom Hausfrauenbund und jetzt von der Ortsgruppe der Arbeiterwohlfahrt unter Leitung von Gerda Böttger bedient und versorgt werden. „Die Prunksitzung für Menschen mit Behinderung sorgt dafür, Hemmschwellen abzubauen und ein Stück Normalität einkehren zu lassen“, betont der Präsident der Schlaggawäscher Andreas Kieninger.

„Wenn wir eine größere Halle hätten, könnten alle zusammen feiern“ (Andreas Neuhäuser, Rollstuhlfahrer)

Seit über zehn Jahren zurrt Andreas Neuhäuser die Homepage der Schlaggen, ein Faschingsnarr, der gern bekennt: „Ich bin für viele Vereine tätig, aber die Narrenzunft ist mir besonders ans Herz gewachsen.“ Seit fünf Jahren ist er auch Mitglied in der Rollstuhltanzgruppe des Körperbehindertenvereins Ostwürttemberg, die auch am 4. Februar wieder unter Leitung von Sylvia Scheerer für Begeisterungsstürme sorgen wird. „Fasching ist für mich Leib und Magen-Programm und ich spreche dabei wohl allen vierhundert Gäste aus der Seele“, sagt Andreas Neuhäuser. Er selbst ist viel unterwegs, mag gerne Blasmusik, aber er weiß auch, dass viele Menschen mit Behinderung „nicht so oft rauskommen und was Großes erleben.“ Für behinderte Menschen sei in den letzten Jahren vieles verbessert worden, sagt er. „Aber es wäre wirklich erst dann echte Inklusion, wenn wir eine solch tolle Veranstaltung gemeinsam feiern könnten“, fügt er hinzu. Er verweist auf den Wunsch nach einer großen Halle. „So wie in Aalen zum Beispiel die Ulrich-Pfeifle-Halle, dann könnten Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam Fasching feiern“, sagt er. Die Hoffnung, dass es eine solche in Oberkochen irgendwann einmal gibt, hat er noch nicht aufgegeben. Im Fokus allerdings steht jetzt wieder die Freude auf einen tollen Tag. Vierhundert Besucher werden in der „Dreißental-Narhalla“ erwartet und diese zum Bersten bringen.

Andreas Neuhäuser (Mitte) erhält 2016 die Verdienstmedaille der Schlaggawäscher

 

 
Rollstuhltanz, Andreas Neuhäuser ganz rechts

Lothar Schell, SchwäPo

 
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